Nach dem Konzert

 

Und Schnee lag wie Kristall auf seinem Kragen

Im Lichtschein der Laterne glitzerte er scheu     

Ich stand vor ihm und wusste nichts zu sagen    

Mein Mund war rot und stellte keine Fragen      

Und all mein Jugendsehnen stand auch mit dabei  

 

Er sprach von Brahms und was er damit meine 

Um seine Lippen lag ein Zug so mild und weich 

Man gehe hin mit Tränen und man weine   

Da war mein Mund auf einmal ganz alleine 

Und ich erschrak und wurde fahl und winterbleich

 

Noch flüsterte Musik in meinen Ohren

Das Eis - es taute sacht in seinem Haar  

Doch meine Lippen waren schon gefroren

Mein Sehnen hab ich im Kristall verloren

Ich sah mich gehen eh ich angekommen war

 

 

Erster Frost

 

Der Tag versinkt und trägt zum Abschied rot,

der See liegt da in milchig scheuer Glätte

und was einst blühte, ist jetzt starr und tot,

die kahlen Äste zeigen Silhouette.

 

Das Eis der Nacht, das lauernd lag im Wald,

kriecht nun hervor, mit gierigem Gebaren,

hüllt alles ein, sein rauer Atem hallt

und Leben friert, wo gestern Sonnen waren.

 

Ich steh, und zitternd löst sich meine Seele,

schwebt schutzlos fort zum eisig fahlen Schimmer.

Kein flüsternd Laut entringt sich meiner Kehle,

die Sonne in mir brennt. Und brennt noch immer.

Der Fluss

 

Die Zeitung heute hat geschrieben,

ein jeder von uns hundert Liter weint

in seinem Leben. Doch mir scheint,

dies ist ein wenig übertrieben.

 

Ich gebe zu, hab viel geweint im Leben,

nicht nur um dich, auch oft um mich allein

und andres. Bild dir bloß nicht ein,

es hätte keinen weitern Grund gegeben.

 

Der Tränenquell aus meinen Augen,

der einst ein Bächlein, ist jetzt Wasser groß.

Und eine Ahnung lässt mich nicht mehr los,

wozu der Kummerstrom am End mag taugen.

 

Gedenk ich der vergangenen Jahre,

so scheint’s, als hab ich ausgeweint.

Doch ist genug zum Fluss vereint,

den bald in Charons Schiff ich überfahre? 

 

Noch gestern schien mit allen Tränen Schluss,

so trocken war mir Aug und Wange.

Denk heut an diese Fahrt ich, wird mir bange -

Ob ich noch weiter weinen muss?

Oben am Berg

 

Sieh den Berg

den wir zur Feier

unserer Kindheit hinabrollten

schreiend vor Glück

Grasbüschelkränze im Haar

 

hinab ins dunkle Tal

direkt in die Arme

der ungeladenen Fee

mit ihrer Spindel

und wir in Schlaf fielen

 

träumend

vom Grasbüschelberg

und vom Glücksschrei

hundert Jahre und mehr

bis wir erwachten

 

ungeküsst

trockene Kränze im Haar

Spindelstiche an unseren Fingern

laut schreiend aber wach

oben am Berg

 

 

Wandlung

 

Nun fallen Schatten, Schalenträume,

verhängte Spiegel, Fleckenlicht,

sie brechen trocken Schicht um Schicht

von deiner Seele, blättern Räume

zum neuen Ich. Noch liegt es nicht -

 

- ganz frei. Doch wisse, nach dem Ringen,

getragen von der Sonne Schein,

gleich einem Vogel wirst du sein,

mit starken, weiten Federschwingen

den Raum zu teilen - er ist dein.

 

 

Engel

 

Du glaubst, es gäbe keine Engel mehr?

Wir alle werden Engel sein,

wenn einst wir unsere Grenze überschreiten

weil jemand lockend unsern Namen ruft.

 

Wir werden frei von Trauer, Schmerz und Leid

das süße Namensingen lernen

und suchend nieder auf die Menschen schauen,

die unsern Weg noch nicht gegangen.